Samstag, 16. Mai 2015

Star Trek Titan 4 – Schwert des Damokles

Eine neue Episode der Abenteuer der U.S.S. Titan unter dem Kommando von Captain Will Riker und seiner bunt zusammengewürfelten Besatzung entführt den Leser an den Rand des erforschten Weltraums. Einmal mehr wird die Crew in einen Strudel von Ereignissen hineingezogen, der sie diesmal direkt mit dem Auge einer Gottheit konfrontiert. Diese Gottheit bedroht nicht nur die Bevölkerung eines Planeten, sondern scheint auch das Schicksal des Föderationsraumschiffs zu besiegeln.

Diesmal geht die Reise der Titan einen neuen Weg und verlässt „vertraute“ Pfade. Fanden sich bisher in den Romanen rund um die U.S.S. Titan immer direkte Anleihen zu Serien und Romanereignissen, seien es die Neyel in „Der rote König“ oder die Sternquallen in „Die Hunde des Orion“, können Riker und seine Crew diesmal auf keine großartigen Erfahrungswerte zurückgreifen. 

Auf der Suche nach ihrem Schwesterschiff, der U.S.S. Charon, findet sich das Schiff im Bannkreis des Planeten Orisha wieder, der seit Jahrhunderten von einem Himmelkörper umkreist wird, den seine Bewohner für das Auge ihrer Gottheit halten. Unter diesem Eindruck hat sich eine Zivilisation gebildet, die in ständiger Angst lebt, dass sie von einem intelligenten Wesen beobachtet wird, das ihre Welt untersucht und darauf lauert diese zu zerstören. Zum ersten Mal in der Romanreihe erklärt sich der Buchtitel dabei direkt aus der Inhaltsangabe auf dem Buchrücken. Zwar kann man im übertragenen Sinne noch andere Damoklesschwerter über den Häuptern einiger Protagonisten schweben sehen, primär bezieht es sich natürlich auf das Auge, das nur darauf zu warten scheint, Tod und Verderben auf die Orishaner regnen zu lassen. 

Die Gretchenfrage, die sich hier stellt, ist natürlich folgende: Verbirgt sich hinter der Erscheinung tatsächlich ein Gott oder doch nur ein kosmisches Phänomen? Für den Wissenschaftsoffizier der Titan, dem Bajoraner Jaza, birgt dieses Rätsel besonderen Zündstoff und ihm selbst stellt sich die Frage, ob Schicksal willkürlich oder vorherbestimmt ist. 

Zunächst aber bekommt der Leser einen Einblick in das allgemeine Zusammenleben auf der U.S.S. Titan. Viele unterschiedliche Spezies bedeuten viele zusätzliche Probleme und sorgen für wachsende Spannungen zwischen den Besatzungsmitgliedern. Mit anderen Worten: Es knirscht ein wenig im Gebälk, und die Reibereien zwischen den Besatzungsmitgliedern nehmen stetig zu. Für mich als Leser war es durchaus vergnüglich, wenn sich der Wissenschaftsoffizier und der Chefingenieur nur deshalb in die Wolle kriegen, weil sie schlicht aneinander vorbeireden. Hinzu kommt, dass es zwischen Riker und Troi zu kriseln scheint, was besonders Troi in Mitleidenschaft zieht. Der cardassianische Kadett Dakal bekommt diesmal einen besonderen Platz im Rampenlicht. Dies ist insofern bemerkenswert, als dass er sich aufgrund der kriegerischen Vergangenheit seines Volkes mit der Föderation als ungeliebter Außenseiter und sich sozusagen auf einem Raumschiff voller Außenseiter doppelt ausgegrenzt sieht. Dennoch und vielleicht gerade deshalb erhält er von seinem Mentor Jaza besondere Aufmerksamkeit. 

Es mutet schon fast traditionell für die Reihe an, dass einmal mehr die oberste Direktive im Zusammenhang mit dem Planeten Orisha thematisiert wird. Dies war auch schon in den vorangegangenen Romanen einer der Kernpunkte gewesen. Im Verlauf der Handlung kommt noch eine Komponente zu dieser Thematik hinzu, die alles noch ein klein wenig komplizierter gestaltet. (Als kleiner Tipp für Trekkies zwei Namen aus einer Episode von DS9; auch wenn die Personen hier nicht auftauchen, so würden sie sich bestimmt sehr dafür interessieren, was im Verlauf der Handlung vor sich geht: Dulmer and Lucsly.) 

Durch die Einführung religiöser Sichtweisen der Orishaner wird ein Thema angeschnitten, das in „Star Trek“ oft in den Hintergrund gerückt wird. Häufig vermittelt „Star Trek“ besonders in der Originalserie den Eindruck, dass Religion ein veraltetes Konzept ist, dem die Menschheit entwachsen ist. Diese positivistisch angehauchte Sichtweise zieht sich wie ein roter Faden durch dass Franchise, obwohl DS9 und Voyager in dieser Beziehung einen Wandel vollziehen. 

Hier allerdings offenbart sich der umgekehrte Weg. Da die Orishaner das Phänomen an ihrem Himmel mit den Mitteln der Wissenschaft nicht erklären können, halten sie es zwangsläufig für eine Manifestierung ihrer Gottheit. Statt einen göttlichen Einfluss von vorneherein auszuschließen und darauf abzustellen, dass eine Erklärung durch späteren wissenschaftlichen Fortschritt ermöglicht wird, schreiben die Orishaner die Erscheinung ihrer Gottheit zu. Julian Wangler begibt sich in diesem Sinne übrigens im Anhang mit dem Leser auf einen kleinen Ausflug zu dem Thema „Star Trek“ und Religion. 

Ein Kunstgriff, der im Laufe der Handlung vorgenommen wird, entpuppt sich indes als stumpfes Schwert. Der versierte Leser weiß sehr genau, dass ihm hier ein Franchiseroman vorliegt, in dessen Handlungsverlauf den Hauptprotagonisten eine Menge passieren und ihnen auch übel mitgespielt werden kann, aber letztendlich nicht mit deren tatsächlichen Ableben zu rechnen ist. Eine solche Situation ist hier gegeben. Und während die Protagonisten vor Trauer vergehen, kann der Leser sich in dem Wissen zurücklehnen, dass alles nicht so schlimm ist, wie es den Anschein hat. 

Das Cover zeigt dieses Mal lediglich die U.S.S. Titan vor einem nebulösen Hintergrund, was ich persönlich als schade empfinde, denn die exotischen Orishaner wären gewiss eine visuelle Darstellung wert gewesen. Anders als bei den ersten Romanen der Reihe kam mir die Übersetzung weniger holprig vor, und auch grobe Schnitzer im Lektorat konnte ich nicht entdecken. 

Fazit: Riker und die Besatzung der Titan stolpern unversehens in eine Situation, die sie mit einem bedrohlichen Himmelskörper in Kontakt bringt, den die Einheimischen für das Auge ihres Gottes halten. Das Wesen des Auges und seine Auswirkungen auf den Planeten bereiten der Besatzung der Titan erhebliche Kopfschmerzen. Die Handlung ist packend geschrieben und wartet mit einigen Überraschungen auf, obwohl sich mancher Kunstgriff eher als stumpfes Damoklesschwert entpuppt. Trotzdem ist der Roman ein Muss für alle Fans und solche die es werden wollen.

Star Trek Titan 4 – Schwert des Damokles
Film/Serien-Roman
Geoffrey Thorne
Cross Cult 2009
ISBN: 978-3-941248-03-8
427 S., Taschenbuch, deutsch
Preis: EUR 12,80


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